Jeden Monat tauschen wir unseren Putzdienst. Im Oktober bin ich für den Vorhof zuständig. Dort steht ein wunderschön gelb blühender Baum und wenn ich Glück habe -was in letzter Zeit ziemlich oft vorkommt- dann sehe ich Kolibris, die ihre morgendlichen Runden drehen. Diese kleinen flatternden Vögel sind wunderschön und sind ab sofort meine neuen Lieblingsvögel! Wenn ich jeden Morgen halb verschlafen in der knallenden Sonne meinen Besen schwinge, kommt ab und zu die Nachbarin heraus und hält ein Schwätzchen mit mir- auch wenn ich nur die Hälfte davon verstehe. Heute lief sie vorbei und grüßte mich mit: „Buenos dias, mi amor!“ („Guten Tag, meine Liebe!“). Dann kam eine Frau, die ich noch nie gesehen habe und sprach mich sogar mit Namen an. Keine Ahnung woher sie den kannte! Mit meinem Namen ist das hier sowieso ein Ding für sich. Da das J als H ausgesprochen wird, heiße ich Hulia. Aber wenn man das jemanden sagt, dann fangen die an zu kichern. Ich glaube der Name ist etwas veraltet, wie bei uns Gudrun oder Hiltraud (nichts gegen eure Namen!). Also stelle ich mich inzwischen als Chulia vor!
Am letzten Sonntag hatte Anka Geburtstag. Sie ist auch eine Freiwillige aus Deutschland und arbeitet in einer Schule. Wir haben sie überrascht mit leckerem Essen und es gab ganz spontan einen Kinobesuch im Caribe Plaza, einem großen Einkaufszentrum in der Nähe. Wir sind auf gut Glück in den erstbesten Film hineingegangen: „Real Steel“. Ein Film mit Hugh Jackman, in dem Roboter gegeneinander kämpfen. Genau das Richtige für einen Mädelsnachmittag! Aber zu meiner Überraschung war der Film recht gut. Und was ich noch erwähnen muss: Umgerechnet hat der Film weniger als 4 Euro gekostet! Die Sitze waren bequem, es war sauber und es gab eine Klimaanlage. Jedoch haben sie es damit heftig übertrieben. Ich habe in Kolumbien noch nie so gefroren wie in diesem Kino. Das nächste Mal werde ich mir einen Pulli mitnehmen!
Letzt war ich bei der Tienda um die Ecke. Von dort aus kann man auf andere Handys anrufen. Also habe ich dem Mann mein Handy gegeben, damit er die Nummer abtippen kann. Und ich habe mich noch gewundert, warum er auf meinem Handy herumtippt! Als er es mir wiedergegeben hat, war er tatsächlich so dreist und hat meine Nachrichten geöffnet und sie gelesen! Der Mann hat noch nicht einmal versucht sein Tun zu vertuschen, sondern hat mir das Handy mit der geöffneten Nachricht wieder zurückgegeben! Das fand ich ziemlich unverschämt! Ich glaube von „Briefgeheimnis“ haben sie hier noch nicht so viel gehört. Aber ich habe was daraus gelernt: Zettel mit Nummern mitnehmen oder die Nummer eben selbst eintippen.
Nach vier Arztbesuchen bei drei verschiedenen Ärzten, einen Ultraschall und nachdem ich geröntgt wurde, steht endlich (nach drei Wochen) fest was mit meinem Fuß los ist. Die gute Nachricht: Nicht wie zuerst vermutet ein angebrochener Knochen und auch kein Bänderriss! Sondern, und jetzt kommt die schlechte Nachricht: ein Stück Calcium hat sich von meinem Knochen gelöst - mit Bindegewebe kommt es auf die Größe einer Murmel- und als ich gefallen bin, hat sich diese Verkalkung zwischen meinen Knochen und meinen Bändern geschoben! Immer wenn ich laufe, drückt das jetzt gegen mein Bein und tut mal mehr, mal weniger weh. Mir wurde deshalb empfohlen mich operieren zu lassen. Obwohl es wirklich sehr gute Ärzte gibt und viele Menschen hierher in den Urlaub fahren um sich unters Messer legen zu lassen, werde ich wohl noch ein ganzes Jahr damit warten müssen und mich erst in Deutschland operieren lassen. Der Hauptgrund ist, dass die „Nachsorge“, wie eine Physiotherapie in Cartagena sehr beschränkt ist. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich nun weiß was ich habe- auch wenn das für mich erst einmal ein Schock war- und ich hoffe, dass es nicht schlimmer wird. Solange versuche ich es so gut wie es geht es zu ignorieren. Gestern bin ich dem Jungen begegnet, dem ich das zu verdanken habe. Aber ich bin wirklich nicht sauer auf ihn. Solche Dinge passieren -warum auch immer-, aber das ist noch lange kein Grund nachtragend zu sein. Ich glaube, dass Kolumbianer sehr schuldbewusste Menschen sind. Als er vor mir stand und erfahren hat was Sache ist, hat er mich tausend Mal um Verzeihung gebeten und er hat sogar angefangen zu weinen! Ich wusste gar nicht, wie ich darauf reagieren sollte. So etwas ist mir noch nie passiert, dass ein junger Mann -Mitte Zwanzig- vor mir steht und wegen mir weint! Ich habe ihn dann in den Arm genommen und versucht ihm klarzumachen, dass es in Ordnung ist! Ich hoffe, dass er es verstanden hat…sein Englisch ist so gut wie mein Spanisch.
So wie es aussieht werde ich demnächst zwei Studenten Deutschunterricht geben (einmal pro Woche). Sie haben vor nach Deutschland zu gehen und ich bin schon sehr gespannt, wie ich mich als „Lehrerin“ anstelle. Vor allem ist Deutsch auch keine Sprache, die man mal so einfach lernt! Unabhängig davon werde ich Spanischunterricht bekommen von einer anderen jungen Frau, die deutsch studiert hat. Ich finde es echt schön, dass man sich hier gegenseitig hilft, natürlich kostenlos. Alles läuft über Beziehungen und Kontakte und langsam verstehe ich auch warum die Menschen so viel und gerne reden! Diese Beziehungen müssen ja gepflegt werden. Das mit den kostenlosen Dingen gilt nicht nur bei Leuten, die man persönlich kennt, sondern auch für Bekannte von Bekannten. So zum Beispiel bei zwei der drei Ärzte. Obwohl das Wartezimmer restlos überfüllt war, durfte ich ohne Wartezeit ins Behandlungszimmer durchgehen und musste noch nicht einmal etwas fürs Röntgen bezahlen! Als Ausländer habe ich eben einen speziellen „Status“, auch wenn mir das nicht immer ganz recht ist. Wenn ich Kolumbianer wäre, wäre ich auf jeden Fall sauer, wenn da so ne Deutsche ins Wartezimmer hereinspazieren würde und sich einfach vor mich drängeln würde! Aber andere Kultur, andere Sitten! Mir gefällt´s!
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