Dienstag, 13. Dezember 2011

Von Läusen, Mathematik, dem Wasch-, Bastel- & Saubermachtag

Hallo ihr Lieben. Ja ich merke es selbst: meine Blogeinträge werden immer weniger! Aber das heißt nicht, dass es mir schlecht geht oder so. Nein ganz im Gegenteil: Das liegt daran, dass ich mich schon richtig in meine neue Welt eingelebt habe! Aber das soll natürlich keine Ausrede sein und so möchte ich euch jetzt einige Erlebnisse mitteilen.
Erst mal möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Gestern ist das 2. Packet angekommen! Da hatte ich ein fettes Grinsen auf dem Gesicht als ich die Schokolade und die vielen anderen leckeren Sachen gesehen habe! Ich freue mich schon auf das nächste Packet.
Dann ist mir vor zwei Tagen mein Fenster aus dem Fensterrahmen gefallen. Man muss dazu sagen, dass ich im ersten Stock schlafe und ich direkt neben meinem Bett ein Schiebefenster habe und irgendwie habe ich beim Aufmachen gegen das eine Fenster gedrückt und es ist aus der Halterung gerutscht und mit einem lauten Schlag unten aufgekommen. Die Regenzeit ist noch nicht ganz vorbei und wenn es stark regnet, dann kann es auf mein Bett regnen! Das ist natürlich nicht so schön, aber jetzt weiß ich wenigstens was ich mir zu Weinachten wünsche: ein neues Fenster.
Ein- bis zweimal im Jahr machen wir einen „Waschtag“ mit den Kindern. Da dürfen sie kommen, wir machen ihre Ohren, Finger- und Fußnägel sauber, waschen ihre Füße und wenn es nötig ist auch die Haare. Ich war dafür zuständig die Fingernägel und Ohren sauberzumachen. An diesen Tagen ist mir zum ersten Mal -nach über 2 Monaten- aufgefallen, dass die Mädchen Läuse haben! Aber nicht nur ein paar Läuse, sondern richtig viele! Das mich das erst mal Überwindung gekostet hat, ist klar, aber mittlerweile ist meine Ekelgrenze soweit gesunken, dass ich es nicht mehr ganz so schlimm finde und außerdem ist es ja für eine gute Sache. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass sich die Kinder danach richtig schön gefühlt haben und das ist die Hauptsache! Die meisten von ihnen haben zuhause kein fließend Wasser, weder eine Dusche, noch eine Toilette und die Eltern achten auch nicht gerade auf Sauberkeit und Hygiene. So war es ganz gut, dass wir diesen Tag gemacht haben!
Vor einigen Wochen hatten wir in einer Straße im Armenviertel einen Müllsammelvormittag. Dazu wurden die Kids in mehrere Gruppen aufgeteilt. Die Aufgabe war einfach: „Welche Gruppe am meisten Müll sammelt, gewinnt!“ Freiwillig würde dort nämlich niemand aufräumen. Das Schlimme ist einfach, dass der Müll direkt aus der Haustür geworfen wird und niemanden stört. Wenn man daraus jedoch einen Wettbewerb macht und es am Ende Süßigkeiten gibt, dann wird fleißig mitgeholfen. Ich durfte sogar alleine eine Gruppe mit ca. 15 Kindern übernehmen. Die kleinen Jungs waren meist einfach nur glücklich, wenn sie eine Mülltüte in der Hand hatten und damit herumgerannt sind. Ich habe ihnen dann versucht zu erklären was Müll eigentlich ist, denn nicht nur Plastik, sondern auch Holzstücke, Blätter und Gras wurden eingesammelt. Die großen Kids dagegen waren ganz „schlau“ und haben vor allem die großen Plastikflaschen in die Säcke gestopft, damit die Tüten schneller voll wurden! Meine Gruppe hat an einem Abhang aufgeräumt und ich fand es richtig gefährlich wie die Kids barfuß auf irgendwelchen morschen Ästen herumgeturnt sind um mit ihren bloßen Händen den verschimmelten Müll, der schon seit Jahren vor sich hingammelt, einzusammeln. Das nenn ich mal vollen Körpereinsatz! Vor allem die kleinen Kinder stecken sich danach öfters mal ihre Hand wieder in den Mund. Ich versuche über solche Sachen dann nicht zu viel nachzudenken. Letztendlich hatten wir eine super Gemeinschaft, eine Menge Spaß, die Kinder hatten eine Aufgabe und haben nicht ihre Zeit mit Nichtstun verbracht und zudem wurde meine Gruppe zweiter Platz. Außerdem kam in dieser kurzen Zeit eine Menge Müll zusammen. Jedoch muss eine Veränderung in den Köpfen geschehen, und es muss generell mehr auf Sauberkeit geachtet werden. Zwei Wochen später, als ich erneut durch diese Straße gelaufen bin, hat man von der Müllsammelaktion nämlich leider nicht mehr so viel gesehen!
Dann war ich Letzt mit meiner Leiterin im Armenviertel, dort gehen wir wöchentlich die Familien besuchen, erkundigen uns wie es ihnen geht und mit den Kindern, die neu in unserem Projekt sind, füllen wir Fragebögen aus. Man muss erwähnen, dass die Hütten so dicht aneinander gebaut sind, dass es keine Privatsphäre gibt, die Türen sind meist offen und jeder kennt jeden. Als wir dann mit einem Mädchen den Fragebogen ausgefüllt haben, kamen ca. 10 Kinder aus derselben Straße ungefragt in die Wohnung, haben sich dazugesetzt, gespielt und waren laut. Und es wurden immer mehr Kinder! Meine Leiterin hat mir dann zu verstehen gegeben, dass ich doch bitte mit ihnen auf die Straße gehen und sie beschäftigen soll. Also bin ich vor die Tür mit 20 Kindern, deren Erziehung so einiges zu wünschen übrig lässt. Anfangs saßen wir auf einer Terrasse, nachdem sich dann aber zu viele Kinder um mich herumgescharrt hatten, mir meine Haare flechten wollten und ich dann gemerkt habe, dass auf mir zwei Läuse herumgekrabbelt sind, bin ich aufgestanden und habe ich versucht einige Spiele mit ihnen zu spielen. Die kleinen Jungs haben versucht mich mit ihren Turnkunststücken zu beeindrucken und die Mädchen wollten Klatschspiele mit mir spielen. Es ist schwierig, denn die Kinder sind sehr besitzergreifend und eifersüchtig und ich habe eben mal nur zwei Hände! Aber die Atmosphäre war wirklich schön und am Ende haben wir uns alle an den Händen gehalten und Ringelreihe getanzt. Die gesamte Straße hat zugeschaut wie die große, weiße Frau aus Europa mit den kleinen, braunen Kindern aus Kolumbien getanzt hat. Das war ein unvergesslicher Nachmittag für mich und ich habe das Gefühl, dass die Kinder mich mittlerweile richtig lieb gewonnen haben. Ich werde öfters gefragt, wann ich denn wieder zu ihnen zum Spielen komme.
Wenn ich so drüber nachdenke hatten wir die letzten Wochen richtig viele Aktionen mit den Kindern. Dazu gehört auch das das Basteln der Weihnachtskarten. Innerhalb von drei Tagen waren 80 Kinder in unserem Haus und jeder von ihnen hat eine Karte gebastelt. Da ich für die Dekoration zuständig bin, durfte ich diese Karten vorbereiten. Was für eine Freude und was für eine Arbeit! Und nicht nur die Karten, sondern auch das ganze Drum und Dran, wie Weihnachtsbäume, Sterne und Schneemänner. Am ersten Vormittag hatten wir die Station mit den verschiedenen Dekosachen noch im selben Raum, wo die Kinder auch gebastelt haben. Jedoch sind die Kinder -insbesondere die Jungs- mehrmals gekommen und haben einfach alles- wirklich alles- was sie in die Hände bekommen haben auf die Karte geklebt. Einfach nur damit sie mehr hatten als die anderen! Ob es dann schön ausgesehen hat oder nicht hat dann erst mal keine Rolle gespielt. Aber aus solchen Erfahrungen lernt man und so haben wir die anderen fünf Male einen anderen Raum verwendet und alles genauestens abgezählt und so hat es auch ganz gut geklappt. Was ich wirklich sehr süß fand, war ein Junge, der auf seiner Karte folgendes stehen hatte: „Tia Chulia te quiero“ (Julia ich liebe dich). Doch die Karte war nicht für mich, sondern für seine Mutter!
Da weder meine Leiterin, noch meine Zimmernachbarin in Mathematik sonderlich begabt sind, unser Projekt jedoch Hausaufgabenhilfe anbietet, bin ich dann sozusagen „in die Bresche gesprungen“ und durfte jetzt schon zweimal Hausaufgabennachhilfe in Mathematik geben! Dafür, dass ich noch nicht einmal weiß was Plus und Minus auf Spanisch heißt, hat Wurzel- und Bruchrechnung eigentlich ganz gut geklappt.
So jetzt habt ihr einen kleinen Einblick in mein Leben bekommen, jedoch fehlen etliche Erlebnisse. Jeden Tag erlebe ich so viel, dass manchmal alles wie in einem Traum durcheinander gerät und es kommt mir vor als ob ich hier schon ewig wäre. Ich wünsche euch allen eine wunderschöne Weihnachtszeit und eine guten Rutsch ins Neue Jahr. Ich werde am Samstag mit zwei weiteren Freiwilligen aus Cartagena (Anka und Larissa) für drei Wochen in den Urlaub fliegen und wir werden uns mit anderen Freiwilligen treffen. Die Erlaubnis für den Amazonas haben wir leider nicht bekommen, aber dafür werden wir Bogota, Medellín und die Kaffezone bereisen. Ich bin gespannt was das neue Jahr mit sich bringt!
PS: Ich würde mich über Post im neuen Jahr freuen!