Donnerstag, 6. September 2012

Mein letzter Blogeintrag

Auch eine weite Reise neigt sich einmal dem Ende zu und so muss ich euch mit einem lachendem und einem weinendem Auge mitteilen, dass ich vor knapp 2 Wochen in meinem schönen zuhause in Deutschland angekommen bin und mich seitdem versuche wieder einzuleben. Geschichten über Mangos, Kokosnüssen, Schildkröten, die Wüste und kuriose Spezialitäten werden wohl jetzt eher zur Ausnahme gehören und es wäre ja langweilig über meinen deutschen Alltag zu berichten. So will ich es hierbei belassen und somit wird  dies wohl mein letzter Blogeintrag werden! (Ja ich finde es auch sehr traurig…)
Ich möchte mich ganz herzlich bei EUCH bedanken. Ohne euch wäre dieser Blog  nicht zustande gekommen! Danke, dass ihr mich durch dieses besondere Jahr begleitet habt  und an meinen Erlebnissen Teil hattet. Was mich sehr erstaunte, war das rege Interesse meiner Leserschaft: über 4100 Besucher waren während des Jahres auf meiner Seite J (so viele Leute kenne ich gar nicht…hehe) Um an Ende noch einen Draufzusetzen, gibt es hier noch meinen Abschlussbericht:
 
Abschlussbericht von Julia

September 2011 – August 2012

Mit weltwärts in Kolumbien

Dieser Bericht ist eine kurze Zusammenfassung über meine Zeit in dem Projekt „El Refugio“ (dt. die Zuflucht), das sich in Cartagena, einer an der Karibikküste gelegenen Großstadt im Norden Kolumbiens befindet. Ich erzähle von meiner Arbeit in dem Projekt und meinen Erlebnissen mit Land und Leuten. Ich hoffe, dass sich dadurch Interessierte einen Eindruck verschaffen können, was ich in diesem Jahr erlebt habe.

Projektbeschreibung "El Refugio"

Das Projekt „El Refugio“ (dt. Die Zuflucht) ist Teil der Dachorganisation „Jugend mit einer Mission“ und befindet sich in Cartagena. Das Haus selber steht in Torices, einem in Zentrumnähe gelegen Stadtteil, gearbeitet wird aber mit den Einwohnern von Loma Fresca, einem der ärmsten Stadtteile in Cartagena. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Arbeit mit Kindern im Alter von ungefähr neun bis dreizehn Jahren. Es gibt aber auch eine wöchentliche Jugendgruppe für Jugendliche ab 14 Jahren. Insgesamt kommen wöchentlich bis zu neunzig Kinder in unser Projekt, die meisten davon besuchen das Kinderprogramm, das jeden Freitag stattfindet, die Älteren die Jugendgruppe. Dort werden den Kindern moralische Werte vermittelt, Spiel und Spaß geboten und eine warme Mahlzeit serviert.

Ein wichtiger Bestandteil des Refugios sind die von montags bis mittwochs stattfindenden Kleingruppen. Dort werden um die 15 Kinder mit Schwierigkeiten in der Schule von einer Lehrerein unterrichtet. Außerdem gibt es eine Bibliothek, in die die Kinder kommen können, um ihre Hausaufgaben zu erledigen, selbstständig zu lernen oder einfach nur in den Büchern zu stöbern.

Neben der Arbeit mit den Kindern gibt es auch Angebote für die Eltern. Alle 14 Tage gibt es einen Elternabend, zu dem alle Eltern, deren Kinder das Refugio besuchen eingeladen sind. Grundlegend sind diese Elternabende darauf ausgerichtet, die Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zu unterrichten.

Zusätzlich zu diesen festen Bestandteilen gibt es auch immer wieder aus der Reihe fallende Aktivitäten, wie beispielsweise Müllsäuberungsaktionen im Stadtviertel, Familientage, Gesundheitstage, an dem die Menschen kostenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen, Läuseentfernungstage, Kindersaubermachtage, an denen den Kindern Hände, Füße und das Gesicht gewaschen werden, Ausflüge und ein besonderes Ferienprogramm, wie die „Kreativen Ferien“, in denen die Kinder an Mal-, Theater-, Tanzkursen usw. teilnehmen können.

Zudem werden zweimal in der Woche Familienbesuche unternommen, um sicherzustellen, dass es den Familien der Kinder gut geht, etwaige Mängel festzustellen und ggf. Lösungen zu suchen. Ziel dabei ist es, jede Familie mindestens viermal jährlich zu besuchen.

Außerdem versucht das Projekt bei individuellen, meist finanziellen Problemen zu helfen, wenn zum Beispiel einer Familie das Geld für die Schuluniform fehlt, Reparaturen am Haus anfallen oder in finanziell sehr schwachen Familien Geld benötigt wird, um Lebensmittel zu kaufen.


Meine Arbeit im „Refugio“

Von Anfang an wurden mir drei Aufgabenbereiche zugeteilt, für die ich bis zum Ende meines Dienstes zuständig war.

1. Gastfreundschaft: Wenn wir Gäste hatten, die über Nacht blieben, habe ich das Gästezimmer hergerichtet. Konkret bedeutete dies: kehren, putzen, Staub wischen, eine Matratze bereitlegen, diese mit frischer Bettwäsche beziehen und das Zimmer schön und ordentlich herrichten. Und wenn unsere Besucher wieder gingen, dann musste alles wieder abgezogen, gewaschen und geputzt werden.

2. Lagerraum: In diesem Raum werden sämtliche Materialien aufbewahrt, wie Verkleidung, Anziehsachen, Arbeitsgeräte, Spiele, Geschenke und vor allem Dinge, die freitags für das Kinderprogramm benötigt werden. Diesen Raum sollte ich sauber und ordentlich halten, wöchentlich aufräumen, kehren, putzen und Staub wischen.

3. Dekoration:  Meine Hauptaufgabe – hier wird besonders viel Wert in meinem Projekt gelegt –ist die Dekoration, die jeden Freitag für das Kinderprogramm benötigt wird. Dazu gehören: Deckendekoration, Notizenboard mit Geburtstagen, Witzen und wöchentlichem Thema, Wanddekoration und große Überschriften. Das alles wird passend zum Thema des jeweiligen Kinderprogrammes gestaltet. Es gibt sogenannte Trimester, diese beinhalten Themenreihen, die 13 Wochen andauern und meist in zwei Unterthemen aufgegliedert sind. Das bedeutet alle 3 Monate wird die Dekoration komplett gewechselt und jeden Donnerstag wechselte ich die Deckendekoration, die Witze und Wochenthemen am Notizboard, die Wanddekoration und Überschriften. Zudem hing ich neue Luftballons auf (bis zu 32 Stück). Wenn sonstige Dekoration anfiel, wie z.B. ein Plakat für die Bibliothek oder eine Anwesenheitsliste, dann fiel dies auch in meinen Aufgabenbereich.

Meine Aufgabenbereiche haben sich jedoch im Laufe des Jahres mit meinen Spanisch-
sprachkenntnissen erweitert. So durfte ich bei den Kleingruppen mithelfen, Spiele mit den Kindern durchführen, Punkte des Kinderprogrammes übernehmen, in der Bibliothek und bei den Eltern-abenden mithelfen und einmal die Woche die Kinder im Armenviertel besuchen gehen.

Da das Projekt nur wenige feste Mitarbeiter hat und die Leiter während meines Aufenthaltes sich eine Auszeit gegönnt haben, habe ich mich zu keinem Zeitpunkt überflüssig gefühlt. Im Gegenteil es gab immer genug Arbeit und so konnte ich mich als Bestandteil des Teams identifizieren. Auch wenn der Anfang nicht leicht war, habe ich gelernt meine eigenen Interessen zurückzustellen und das zu machen, was von mir verlangt wurde. Mittlerweile kann ich sagen, dass ich meine kreative Seite entdeckt habe und ich meine Ideen einbringen konnte. Jedoch kann ich mein Projekt auch verstehen, denn was sollen sie auch mit jemandem anfangen, der die Sprache nicht beherrscht. So waren sie mehr oder weniger gezwungen mir eine Arbeit zuzuteilen, wofür kein Spanisch benötigt wird. Was lernen wir daraus: Es ist immer besser die die Sprache des Landes vorher zu lernen!

Land und Leute 
Ich hatte das Glück und die Möglichkeit in meinen freien Wochen mit anderen Freiwilligen das Land zu bereisen. Und ich war erstaunt wie vielfältig nicht nur die Natur ist, sondern auch die Menschen sind. Kolumbien ist ein Land der Gegensätze. Es gibt verschiedene Klimazonen und so ist von Wüste bis Schnee alles aufzufinden.  Obwohl ich nur einen kleinen Teil bisher gesehen habe, war ich noch nie zuvor so fasziniert von der Schönheit der Natur. Schon allein deshalb lohnt es sich Kolumbien einmal gesehen zu haben. Jedoch auch wegen der Menschen, von denen man durchaus einiges lernen kann. Dort an der Küste, wo ich ein Jahr verbracht habe, ist es heiß und es hat eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit durch das Meer. Durch dieses Klima sind die Menschen anders wie die in Deutschland. Ich versuche das einmal zu erklären: Da es warm ist, sind die Türen der Häuser nur mit einem Gitter verriegelt oder die Türen stehen einfach ganz offen. Zudem sind die Häuser direkt aneinander gebaut. Dadurch bekommt man von dem Leben der Nachbarn mehr mit als es einem lieb ist. Privatsphäre ist fast schon ein Fremdwort und es ist normal, dass man sich gegenseitig unangemeldet besuchen kommt. Für die Mehrheit der Kolumbianer haben Beziehungen einen höheren Stellenwert als Arbeit. Da Kolumbianer fast mit jedem ein Schwätzchen halten, gerät oft die Zeit in Vergessenheit und sie kommen grundsätzlich zu spät. Außerdem wird in Gruppen gedacht und weniger als Individuum. Wenn sich einer etwas zu essen kauft, erwarten die anderen, dass man es großzügig teilt. So ist es unüblich in Restaurants getrennte Rechnungen zu verlangen und auch bei Taxifahrten zahlt oft einer den vollen Preis und das Geld wird nicht aufgeteilt. Dies kann anfangs einem ungewöhnlich und ungerecht vorkommen. Doch mit der Zeit bezahlt jeder einmal und ich glaube es gleicht sich dann aus.
Sonst kann ich noch sagen: Es ist laut. So gut wie jeder, besitzt eine oder mehrere große Musikboxen, selbst im Armenviertel. Da kann das Haus noch so schäbig aussehen, Hauptsache man besitzt solch eine Musikanlage! Die Menschen sind offen, temperamentvoll, gesprächsfreudig, reden jedoch indirekt.

Die Besuche im Armenviertel machten mich einerseits betroffen, andererseits  brachten sie mir Freude. Ich konnte sehen, wie die Kinder, die unser Projekt besuchen, leben und verstehen warum sie so sind, wie sie sind. Obwohl dort Armut herrscht, ist die Atmosphäre fröhlich und keineswegs gedrückt. Ich glaube durchaus, dass die Kinder wissen, dass sie nicht alles haben was andere Kinder in ihrem Alter haben, doch sie kennen es nicht anders und so ist es für sie normal. Die Besuche haben mich gelehrt das zu schätzen was ich habe. Und ich glaube wir können sehr viel von den Kolumbianern lernen: Lebensfreude, Zufriedenheit, Großzügigkeit, Spontanität, Hilfsbereitschaft und ein herzliches Miteinander, was in Deutschland, nach meiner Meinung, sooft fehlt.

Abschließende Bemerkungen
Um etwas Abschließendes zu sagen. Das Jahr in Kolumbien war das erfahrungsreichste und intensivste, das ich bisher hatte. Ich bin an mir und meinen Stärken gewachsen, durch schwierige und schöne Zeiten gegangen und habe entdeckt, dass ich zu mehr fähig bin, als ich mir zutraue. Ich selbst habe mich viel mehr verändert, als dass ich etwas verändert habe. Es war eine einzigartige Erfahrung und ich bereue meine Entscheidung nicht dieses Auslandsjahr gemacht zu haben. Dem Nachhause gehen schaue ich mit gemischten Gefühlen entgegen, denn ich habe in Kolumbien viele Menschen ins Herz geschlossen und es wird mir schwer fallen diese zurückzulassen.
 
Von Julia