Dienstag, 31. Juli 2012

Über einen Kurztrip in die Wüste und das traurige Ende einer Schildkröte

Die Wochen vergehen wie im Fluge und nun rückt die Abreise immer näher…unglaublich. Ich genieße die letzten Wochen soweit es mir möglich ist und so war ich vor gut zwei Wochen ein letztes Mal im Kurzurlaub mit Anka und Larissa. Wir waren (fast) am nördlichsten Punkt von Kolumbien, nahe an der Grenze zu Venezuela. Dort haben wir uns eine zweitägige Touristentour in einem Jeep gegönnt. Unsere Tour fing in Riohacha an und führte uns mitten in die Wüste in das Örtchen „Cabo de la Vela“. Zuerst besuchten wir jedoch die Stadt Manaure. Dort ist die Salzkonzentration des Meeres sehr hoch und deshalb wird dort Salz abgebaut. Es gibt riesige Salzfelder, wo das Salz getrocknet wird und in verschiedenen Verfahren verarbeitet wird. Dort habe ich einen großen, toten und durch das Salz konservierten Seestern gefunden, den ich aber aufgrund seines üblen Gestankes wegwerfen musste. Nachdem wir durch Kakteenwälder gefahren sind, gelangten wir in die Weite der Wüste. Es war unglaublich und faszinierend, weil es dort nur harten Sand gibt und ein paar ausgetrocknete Bodengewächse. Hier und da liefen Ziegen herum und in der Ferne sahen wir einen riesigen See. Einer unserer Mitreisenden fragte, wie wir denn den riesigen See umfahren wollen. Die Antwort des Fahrers war, dass es überhaupt keinen See gäbe, sondern es nur eine Fata Morgana sei. Ich fragte mich, wie das sein könne, denn der See sah so real aus, wir alle sahen ihn und das nicht nur für einige Sekunden, sondern mindestens eine halbe Stunde lang und das Gestrüpp spiegelten sich darin. Wie das auch immer funktioniert, diese Luftspiegelung erscheint so real, dass ich nun verstehen kann, dass Menschen in der Wüste tatsächlich tagelang wandern um an Wasser zu gelangen, das aber gar nicht existiert. In den kleinen Örtchen gibt es kein Süßwasser, das Wasser dort ist sehr kostbar und muss mit Autos dorthin transportiert werden. So mussten wir uns zum Duschen Wassereimer kaufen und uns dies mit Schalen überschütten. Die Nacht über haben wir in offenen Palmen-Kakteenhütten verbracht. Dort verwenden sie das Kakteeninnere um Hütten zu bauen. Das sieht aus wie Holz und ist auch nach dem Trocknen genauso hart, ist aber eben Kaktus. Und in so einer Hütte, ca. 20 Meter von Meer entfernt, haben wir in Hängematten geschlafen unter einem wundervoll klaren Sternenhimmel, wo ich sogar zwei Sternschnuppen gesehen habe. Von „Cabo de la Vela“ aus haben wir Tagestouren an verschiedene Strände und Berge gemacht und natürlich haben wir uns die einheimischen Spezialitäten wie Ziege und Krabbenreis nicht entgehen lassen. Diesen Kurzurlaub werde ich so schnell nicht vergessen, genauso wenig wie die Landschaft und die Menschen, die mit sehr wenig auskommen. Eine kleine Anekdote: Als wir tanken waren, hielt der Jeep an einer Straße an. Dort saßen einheimische Frauen mit Tankkanistern und Plastikflaschen, die mit Petroleum gefüllt waren. Um dies in unseren Tank zu füllen, hielt die Frau ein Ende des Schlauches in den Kanister und saugte mit ihrem Mund am anderen Ende den Schlauch an. Fand ich eine sehr interessante, jedoch ungesunde Methode ein Auto zu betanken. J

Dann musste ich vor kurzem miterleben, wie eine kleine Schildkröte ihr trauriges Ende fand. Ich war bei einer Familie zum Essen eingeladen, wartete im Hof und schaute dem Hund beim Spielen zu. Als ich dann jedoch sah, dass er mit einer kleinen Schildkröte spielte, schrie ich etwas panisch: „Der Hund isst die Schildkröte.“ „Nein, nein, der spielt nur!“, kam die typische Antwort eines jeden Hundebesitzers zurück. „Schau doch mal hin, der hat schon ein Stück abgebissen!“ Erst dann wurde mir geglaubt. Es gab ein großes Geschrei und die halbe Familie kam zusammen und es gab eine laute kolumbianische Konversation, warum denn der Hund nicht eingesperrt sei usw. Der kleinen armen Schildkröte fehlte der halbe Panzer, jedoch hatte sie sich soweit zurückgezogen, dass sie noch ihren Kopf besaß und aufgrund dieser Tatsache, meinte die Mutter, dass sie das überleben würde. Ich teilte diese Ansicht zwar nicht, aber was hätte ich tun sollen. Ca. 2 Stunden später schauten wir erneut nach der Schildkröte, über die sich die Ameisen bereits hermachten. Das war ein schrecklicher Anblick. Man muss nicht unbedingt gesehen haben, wie eine angebissene Schildkröte von innen aussieht. Ich meinte, dass das Tier doch nur leiden würde. Und so überlegten wir uns wie man am besten eine Schildkröte tötet. Letztendlich wurde sie mit einem Holzklotz erschlagen. Durch diese ganze Aktion war mir das Essen vergangen und irgendwie erinnerte mich der penetrante Geruch des Tieres an das diesjährige Osteressen, das wie ihr vielleicht schon wisst, eine Schildkröte war.  

Dienstag, 3. Juli 2012

Über Sincelejo, Schulferien, meine Wohnsituation, Gewalt & meine Zukunft

Vor einigen Tagen hatte ich die Möglichkeit eine neue Stadt kennenzulernen: Sincelejo (liegt ca. 3-4 Stunden Busfahrt von Cartagena entfernt). Bis auf die drei Kakerlaken, die ich in dem Zimmer fand, in dem ich geschlafen habe, war meine spontane Reise eigentlich schön. Ich bin auf den Geschmack eines neuen Eis gekommen: „grüne Mango mit Salz und Limone“! Schade, dass es das nicht in Deutschland gibt. Ich habe mir ein Fußballspiel von Jugendlichen angeschaut (naja eigentlich war ich mehr mit dem leckeren Eis beschäftigt). In der Hitze bin ich schon fast verlaufen (und ich saß im Schatten). Es ist mir unbegreiflich, wie die Jungs bei diesem Wetter so lange aushalten! Am Ende wurde mir ein kolumbianisches Trikot geschenkt, worüber ich mich riesig gefreut habe. Es ist doch immer viel cooler, wenn dir jemand etwas schenkt und du ein Andenken mit  einer Geschichte hast, anstatt dass man es sich selbst kauft! Ich war auch in der Innenstadt. Dort haben wir uns eine Kokosnuss gekauft und als wir damit auf dem Bürgersteig saßen und mit einem Strohhalm die Kokosmilch getrunken haben, kam schon ein klein bisschen ein „Karibik-feeling“ auf. Obwohl ich nur zwei Tage dort war, habe ich einiges gesehen und war leider oftmals selbst die Attraktion. Da Sincelejo nicht gerade eine Touristenstadt ist, sind weiße Menschen mit blauen Augen und blonden Haaren, die zudem auch noch spanisch sprechen, etwas Besonderes. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen.
Momentan haben die Kinder in Cartagena Schulferien. Wir im Projekt  natürlich nicht! Dafür bieten wir Themenwochen an. Letzte Woche war die „Woche der Kulturen“ und ich hatte die Möglichkeit den Kindern etwas über Deutschland zu berichten. So habe ich über die Bedeutung der Flagge erzählt (die ich zu meiner Schande davor selbst nicht kannte), einige Bilder gezeigt, die 4 Jahreszeiten erklärt, wir haben den Schuhplattler getanzt und wir haben über die Trennung Deutschlands geredet zur Zeit der DDR. Die Kinder sollten sich vorstellen, wie sie sich fühlen würden, wenn mitten durch ihr Viertel eine Mauer errichtet werden würden und sie für sehr lange Zeit ihre Verwandten nicht mehr sehen könnten. „Traurig!“, war die häufigste Antwort und sie waren fast schon etwas betroffen, dass so etwas wirklich in Deutschland geschehen ist. Ich finde es wichtig, dass den Kindern ein richtiges Bild von Europa vermittelt wird und nicht – wie viele hier- denken, dass auf unserem Kontinent alles perfekt ist.
Bei mir hat sich die Wohnsituation geringfügig geändert. Meine englische Zimmernachbarin ist für 2 Monate in ihre Heimat geflogen und so habe ich ab sofort eine sehr bequeme Matratze, bei der man weder die Federn, noch den Lattenrost spürt. Außerdem habe ich momentan das Zimmer für mich alleine (ich bin gespannt wie lange das noch so bleibt). Und das ist schon etwas Schönes! Jedoch gibt es jetzt mehr Arbeit. Nach den Ferien werde ich den Bereich der Bibliothek übernehmen, wo die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Ich fühle mich dem zwar noch nicht ganz gewachsen, aber ich werde sehen was sich machen lässt. Dann noch etwas Unschönes: Unsere Waschmaschine funktioniert seit mehreren Wochen nicht mehr. Und so bin ich gezwungen meine Wäsche entweder gar nicht zu waschen oder sie von Hand zu waschen. Obwohl sich die erste Möglichkeit besser anhört, bevorzuge ich die Zweite und wasche meine Wäsche von Hand, was eine mühsame und langwierige Arbeit ist. Ich hoffe, dass wir das bald repariert bekommen, sonst werde ich mir wohl Freunde mit Waschmaschinen suchen müssen.  
Dann müssen wir feststellen, dass die Gewalt in den letzten Monaten immer mehr zunimmt. Die Zeitungen sind voll mit Schlägereien und ermordeten Menschen. Wir selbst können manchmal nicht ins Armenviertel gehen, weil es dort zu gefährlich ist. Erst vor einer Woche haben zwei Kinder, die unser Projekt besuchen erzählt, dass sich ihre Verwandten mit Macheten geschlagen haben und diese nun mit mehreren Schnittwunden im Krankenhaus liegen.
Und erst vor einem Monat wurde eine Mitarbeiterin unseres Projektes Opfer eines Angriffs. Als sie auf den Bus wartete, hielten zwei Männer auf einem Moto neben ihr an und wollten ihr die Tasche klauen. Doch sie hat sich geweigert ihnen die Tasche zu geben. So  hat ein Mann ihr ein Messer in ihre Pobacke gerammt. Der Schnitt musste mit drei Stichen genäht werden!
Ich glaube ein großes Problem sind die Gesetze. Es schreckt die Menschen nicht ab Gewalttaten zu verüben, weil die Strafen zu milde sind. Um ein Beispiel zu nennen: Der kolumbianische Staat möchte das Problem der Guerilla durch die sogenannte „Demobilisierungsmaßnahme“ lösen. Kämpfer der Guerilla können sich somit vom Paramilitarismus lossagen und ihre Waffen abgeben. Der Staat sichert ihnen Schutz zu und verfolgt ihre Straftaten nicht weiter! Jedoch schließen sich diese Menschen meist anderer Gewaltorganisationen an, die genauso schlimm oder noch schlimmer sind. Wo bleibt da die Logik? Hoffen wir, dass die Korruption bald ein Ende hat, die Regierung sich um Gerechtigkeit und Schutz einsetzt und Frieden und Ordnung in dieses schöne Land kommt!
Dann noch etwas ganz anderes: Falls es jemanden interessiert was ich nach meinem Auslandsjahr machen werde…ich werde Lehramt (Gymnasium) studieren; die Fächer Biologie und Spanisch.