Dienstag, 3. Juli 2012

Über Sincelejo, Schulferien, meine Wohnsituation, Gewalt & meine Zukunft

Vor einigen Tagen hatte ich die Möglichkeit eine neue Stadt kennenzulernen: Sincelejo (liegt ca. 3-4 Stunden Busfahrt von Cartagena entfernt). Bis auf die drei Kakerlaken, die ich in dem Zimmer fand, in dem ich geschlafen habe, war meine spontane Reise eigentlich schön. Ich bin auf den Geschmack eines neuen Eis gekommen: „grüne Mango mit Salz und Limone“! Schade, dass es das nicht in Deutschland gibt. Ich habe mir ein Fußballspiel von Jugendlichen angeschaut (naja eigentlich war ich mehr mit dem leckeren Eis beschäftigt). In der Hitze bin ich schon fast verlaufen (und ich saß im Schatten). Es ist mir unbegreiflich, wie die Jungs bei diesem Wetter so lange aushalten! Am Ende wurde mir ein kolumbianisches Trikot geschenkt, worüber ich mich riesig gefreut habe. Es ist doch immer viel cooler, wenn dir jemand etwas schenkt und du ein Andenken mit  einer Geschichte hast, anstatt dass man es sich selbst kauft! Ich war auch in der Innenstadt. Dort haben wir uns eine Kokosnuss gekauft und als wir damit auf dem Bürgersteig saßen und mit einem Strohhalm die Kokosmilch getrunken haben, kam schon ein klein bisschen ein „Karibik-feeling“ auf. Obwohl ich nur zwei Tage dort war, habe ich einiges gesehen und war leider oftmals selbst die Attraktion. Da Sincelejo nicht gerade eine Touristenstadt ist, sind weiße Menschen mit blauen Augen und blonden Haaren, die zudem auch noch spanisch sprechen, etwas Besonderes. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen.
Momentan haben die Kinder in Cartagena Schulferien. Wir im Projekt  natürlich nicht! Dafür bieten wir Themenwochen an. Letzte Woche war die „Woche der Kulturen“ und ich hatte die Möglichkeit den Kindern etwas über Deutschland zu berichten. So habe ich über die Bedeutung der Flagge erzählt (die ich zu meiner Schande davor selbst nicht kannte), einige Bilder gezeigt, die 4 Jahreszeiten erklärt, wir haben den Schuhplattler getanzt und wir haben über die Trennung Deutschlands geredet zur Zeit der DDR. Die Kinder sollten sich vorstellen, wie sie sich fühlen würden, wenn mitten durch ihr Viertel eine Mauer errichtet werden würden und sie für sehr lange Zeit ihre Verwandten nicht mehr sehen könnten. „Traurig!“, war die häufigste Antwort und sie waren fast schon etwas betroffen, dass so etwas wirklich in Deutschland geschehen ist. Ich finde es wichtig, dass den Kindern ein richtiges Bild von Europa vermittelt wird und nicht – wie viele hier- denken, dass auf unserem Kontinent alles perfekt ist.
Bei mir hat sich die Wohnsituation geringfügig geändert. Meine englische Zimmernachbarin ist für 2 Monate in ihre Heimat geflogen und so habe ich ab sofort eine sehr bequeme Matratze, bei der man weder die Federn, noch den Lattenrost spürt. Außerdem habe ich momentan das Zimmer für mich alleine (ich bin gespannt wie lange das noch so bleibt). Und das ist schon etwas Schönes! Jedoch gibt es jetzt mehr Arbeit. Nach den Ferien werde ich den Bereich der Bibliothek übernehmen, wo die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Ich fühle mich dem zwar noch nicht ganz gewachsen, aber ich werde sehen was sich machen lässt. Dann noch etwas Unschönes: Unsere Waschmaschine funktioniert seit mehreren Wochen nicht mehr. Und so bin ich gezwungen meine Wäsche entweder gar nicht zu waschen oder sie von Hand zu waschen. Obwohl sich die erste Möglichkeit besser anhört, bevorzuge ich die Zweite und wasche meine Wäsche von Hand, was eine mühsame und langwierige Arbeit ist. Ich hoffe, dass wir das bald repariert bekommen, sonst werde ich mir wohl Freunde mit Waschmaschinen suchen müssen.  
Dann müssen wir feststellen, dass die Gewalt in den letzten Monaten immer mehr zunimmt. Die Zeitungen sind voll mit Schlägereien und ermordeten Menschen. Wir selbst können manchmal nicht ins Armenviertel gehen, weil es dort zu gefährlich ist. Erst vor einer Woche haben zwei Kinder, die unser Projekt besuchen erzählt, dass sich ihre Verwandten mit Macheten geschlagen haben und diese nun mit mehreren Schnittwunden im Krankenhaus liegen.
Und erst vor einem Monat wurde eine Mitarbeiterin unseres Projektes Opfer eines Angriffs. Als sie auf den Bus wartete, hielten zwei Männer auf einem Moto neben ihr an und wollten ihr die Tasche klauen. Doch sie hat sich geweigert ihnen die Tasche zu geben. So  hat ein Mann ihr ein Messer in ihre Pobacke gerammt. Der Schnitt musste mit drei Stichen genäht werden!
Ich glaube ein großes Problem sind die Gesetze. Es schreckt die Menschen nicht ab Gewalttaten zu verüben, weil die Strafen zu milde sind. Um ein Beispiel zu nennen: Der kolumbianische Staat möchte das Problem der Guerilla durch die sogenannte „Demobilisierungsmaßnahme“ lösen. Kämpfer der Guerilla können sich somit vom Paramilitarismus lossagen und ihre Waffen abgeben. Der Staat sichert ihnen Schutz zu und verfolgt ihre Straftaten nicht weiter! Jedoch schließen sich diese Menschen meist anderer Gewaltorganisationen an, die genauso schlimm oder noch schlimmer sind. Wo bleibt da die Logik? Hoffen wir, dass die Korruption bald ein Ende hat, die Regierung sich um Gerechtigkeit und Schutz einsetzt und Frieden und Ordnung in dieses schöne Land kommt!
Dann noch etwas ganz anderes: Falls es jemanden interessiert was ich nach meinem Auslandsjahr machen werde…ich werde Lehramt (Gymnasium) studieren; die Fächer Biologie und Spanisch.

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