Vor einigen Tagen hatte ich die Möglichkeit eine neue Stadt kennenzulernen:
Sincelejo (liegt ca. 3-4 Stunden Busfahrt von Cartagena entfernt). Bis auf die
drei Kakerlaken, die ich in dem Zimmer fand, in dem ich geschlafen habe, war
meine spontane Reise eigentlich schön. Ich bin auf den Geschmack eines neuen
Eis gekommen: „grüne Mango mit Salz und Limone“! Schade, dass es das nicht in
Deutschland gibt. Ich habe mir ein Fußballspiel von Jugendlichen angeschaut (naja
eigentlich war ich mehr mit dem leckeren Eis beschäftigt). In der Hitze bin ich
schon fast verlaufen (und ich saß im Schatten). Es ist mir unbegreiflich, wie die
Jungs bei diesem Wetter so lange aushalten! Am Ende wurde mir ein kolumbianisches
Trikot geschenkt, worüber ich mich riesig gefreut habe. Es ist doch immer viel
cooler, wenn dir jemand etwas schenkt und du ein Andenken mit einer Geschichte hast, anstatt dass man es
sich selbst kauft! Ich war auch in der Innenstadt. Dort haben wir uns eine
Kokosnuss gekauft und als wir damit auf dem Bürgersteig saßen und mit einem
Strohhalm die Kokosmilch getrunken haben, kam schon ein klein bisschen ein „Karibik-feeling“
auf. Obwohl ich nur zwei Tage dort war, habe ich einiges gesehen und war leider
oftmals selbst die Attraktion. Da Sincelejo nicht gerade eine Touristenstadt
ist, sind weiße Menschen mit blauen Augen und blonden Haaren, die zudem auch
noch spanisch sprechen, etwas Besonderes. Daran werde ich mich wohl nie
gewöhnen.
Momentan haben die Kinder in Cartagena Schulferien. Wir im
Projekt natürlich nicht! Dafür bieten
wir Themenwochen an. Letzte Woche war die „Woche der Kulturen“ und ich hatte die
Möglichkeit den Kindern etwas über Deutschland zu berichten. So habe ich über
die Bedeutung der Flagge erzählt (die ich zu meiner Schande davor selbst nicht kannte),
einige Bilder gezeigt, die 4 Jahreszeiten erklärt, wir haben den Schuhplattler
getanzt und wir haben über die Trennung Deutschlands geredet zur Zeit der DDR.
Die Kinder sollten sich vorstellen, wie sie sich fühlen würden, wenn mitten
durch ihr Viertel eine Mauer errichtet werden würden und sie für sehr lange
Zeit ihre Verwandten nicht mehr sehen könnten. „Traurig!“, war die häufigste
Antwort und sie waren fast schon etwas betroffen, dass so etwas wirklich in
Deutschland geschehen ist. Ich finde es wichtig, dass den Kindern ein richtiges
Bild von Europa vermittelt wird und nicht – wie viele hier- denken, dass auf unserem
Kontinent alles perfekt ist.
Bei mir hat sich die Wohnsituation geringfügig geändert.
Meine englische Zimmernachbarin ist für 2 Monate in ihre Heimat geflogen und so
habe ich ab sofort eine sehr bequeme Matratze, bei der man weder die Federn,
noch den Lattenrost spürt. Außerdem habe ich momentan das Zimmer für mich
alleine (ich bin gespannt wie lange das noch so bleibt). Und das ist schon etwas
Schönes! Jedoch gibt es jetzt mehr Arbeit. Nach den Ferien werde ich den
Bereich der Bibliothek übernehmen, wo die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Ich
fühle mich dem zwar noch nicht ganz gewachsen, aber ich werde sehen was sich
machen lässt. Dann noch etwas Unschönes: Unsere Waschmaschine funktioniert seit
mehreren Wochen nicht mehr. Und so bin ich gezwungen meine Wäsche entweder gar
nicht zu waschen oder sie von Hand zu waschen. Obwohl sich die erste
Möglichkeit besser anhört, bevorzuge ich die Zweite und wasche meine Wäsche von
Hand, was eine mühsame und langwierige Arbeit ist. Ich hoffe, dass wir das bald
repariert bekommen, sonst werde ich mir wohl Freunde mit Waschmaschinen suchen
müssen.
Dann müssen wir feststellen, dass die Gewalt in den letzten
Monaten immer mehr zunimmt. Die Zeitungen sind voll mit Schlägereien und
ermordeten Menschen. Wir selbst können manchmal nicht ins Armenviertel gehen,
weil es dort zu gefährlich ist. Erst vor einer Woche haben zwei Kinder, die
unser Projekt besuchen erzählt, dass sich ihre Verwandten mit Macheten
geschlagen haben und diese nun mit mehreren Schnittwunden im Krankenhaus
liegen.
Und erst vor einem Monat wurde eine Mitarbeiterin unseres Projektes
Opfer eines Angriffs. Als sie auf den Bus wartete, hielten zwei Männer auf
einem Moto neben ihr an und wollten ihr die Tasche klauen. Doch sie hat sich
geweigert ihnen die Tasche zu geben. So
hat ein Mann ihr ein Messer in ihre Pobacke gerammt. Der Schnitt musste mit
drei Stichen genäht werden!
Ich glaube ein großes Problem sind die Gesetze. Es schreckt
die Menschen nicht ab Gewalttaten zu verüben, weil die Strafen zu milde sind. Um
ein Beispiel zu nennen: Der kolumbianische Staat möchte das Problem der
Guerilla durch die sogenannte „Demobilisierungsmaßnahme“ lösen. Kämpfer der
Guerilla können sich somit vom Paramilitarismus lossagen und ihre Waffen
abgeben. Der Staat sichert ihnen Schutz zu und verfolgt ihre Straftaten nicht
weiter! Jedoch schließen sich diese Menschen meist anderer Gewaltorganisationen
an, die genauso schlimm oder noch schlimmer sind. Wo bleibt da die Logik?
Hoffen wir, dass die Korruption bald ein Ende hat, die Regierung sich um
Gerechtigkeit und Schutz einsetzt und Frieden und Ordnung in dieses schöne Land
kommt!
Dann noch etwas ganz anderes: Falls es jemanden interessiert was
ich nach meinem Auslandsjahr machen werde…ich werde Lehramt (Gymnasium) studieren;
die Fächer Biologie und Spanisch.
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